Plötzlich war er so richtig da, der Wunsch nach einem eigenen Hund, mit all der Verantwortung, die man übernehmen muss und der Arbeit, die ein Hund so mit sich bringt, vom Erziehen bis zum Entfernen der Hundehaare und den Dreckspfoten auf der Treppe. Damals existierte bereits eine Pflegestelle für Auslandshunde in unserer Familie, und so war es eigentlich nur noch ein kleiner Schritt bis wir auch unsere "Pflegestelle mit Option zur Übernahme" starten konnten.
Der WBE wünschte sich einen mittelgroßen Hund, einen, mit dem er die Hundeschule besuchen konnte und mit dem er stundenlange Runden durch Wind und Wetter drehen wollte. Man versprach uns nach dem passenden Hund in Polen Ausschau zu halten. Eine sehr spannende Zeit begann, bis uns dann eines Abends per E-Mail ein Video erreichte. Ein struppiges Hundemädchen, das aus einem Eimer Wasser schleckte, mit dicken Pfoten durchs Bild tappste und sich auf den Rücken schmiss, damit ihm der Bauch gestreichelt wurde. Unsere Emi, gerade dem Welpenalter entwachsen.
Liebe auf den ersten Blick, aber auch große Sorge, denn oft werden die Hunde, die für die Ausreise ausgesucht werden, dann doch noch im Heimatland vermittelt. Wir hatten Angst, dass das bei Emi auch passieren könnte. Eine egoistische Angst, die wir also hatten, aber man kann sich ja so schnell in einen Hund vergucken.
Mitte August war es dann soweit. Der Transporter setzte sich in Bewegung, von Polen an den Niederrhein, und Emi war mit dabei. Wir zählten die Stunden bis zu ihrer Ankunft und konnten es überhaupt nicht abwarten. Der Tag war einer der heißesten in diesem Jahr, gegen Abend setzte ein Gewitter ein, und Emis Transport stand irgendwo im Ruhrgebiet im Stau. Erst gut 4 Stunden nach der errechneten Ankunftszeit kam der Lieferwagen mit den vielen Transportboxen bei völliger Dunkelheit in einer kleinen Schrebergartenanlage an. Emis Box stand zum Glück ganz vorne. Den ersten Blick konnten wir beim Licht einer Taschenlampe auf sie werfen. Was mich in dem Moment, als wir sie ganz zaghaft durch das Türgitter streicheln konnten, am meisten berührte, war dieses laute Pock, Pock, Pock erzeugt durch ihr freudiges Schwanzwedeln. Das war Emi, die uns bedingungslos, vom ersten Moment an, als ihre Familie anerkannte, die uns ihr ganzes Vertrauen schenkte. Wer Emi heute kennt weiß, welch wertvolles Geschenk sie uns damit an diesem Tag gegeben hat, denn die Hündin lässt sich in der Regel von niemandem anfassen, den sie nicht schon länger kennt und macht generell um Fremde einen großen Bogen. Mein Vater brauchte gut 1,5 Jahre, bis er sie nur einmal berühren durfte.
Mit der ersten Nacht, die Emi in unserem Haus mit uns verbrachte, begann nicht nur für sie eine spannende Zeit. Ganz am Anfang stand das erste Bad, denn Emis Gestank war wahrlich unerträglich. Das lag nicht nur daran, dass sie die Fahrt in unserem Wagen nicht ganz vertragen hatte, sondern ihr Fell strotzte vor Dreck. Das tat unserer Liebe aber keinen Abbruch.
Emis erster Tag bei uns |
Alles ist noch furchtbar spannend |
Wie klein sie noch war |
Die nächsten Wochen waren angefüllt mit Hund, Hund, Hund. Wir mussten unsere ersten Erfahrungen als Hundehalter sammeln und Emi in einer Familie. Nicht nur der Tierschutzverein hat uns dabei unterstützt, sondern auch die vielen Menschen, die wir in diesen ersten Wochen kennen lernten. Wir lebten eigentlich in einer recht anonymen Gegend, und plötzlich kannte man unendliche viele neue Leute, mit denen man sich stundenlang unterhalten konnte. Und Emi, die anscheinend in Polen mit anderen Hunden auch schlechte Erfahrungen gemacht hatte, blühte auf, nachdem sie ohne Leine mit vielen Hundefreunden durch Wiese und Felder toben konnte. Unser Hundefräulein war sehr kontaktfreudig und unkaputtbar wie ein VW Käfer, sie rannte, rannte und rannte und wurde nur müde, wenn sie jemanden fand, der mit dem gleichen Temperament gesegnet war. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Richtig, richtig erschöpft war sie am Anfang nur, wenn die ersten Stunden in der Hundeschule beendet waren. Auf unserer ersten Heimfahrt lag sie auf der Rückbank und schlummerte noch vor der ersten Ampel ein.
Nach der ersten Stunde in der Hundeschule |
Emi war eine engagierte Schülerin, und der WBE platzte vor Stolz, wenn sie mal wieder das "Bleib" in Perfektion beherrscht hatte, während die anderen Schüler nicht ganz so ausdauernd waren.
Ach, und was hat das Wetter nicht alles für uns in petto gehabt. Da waren Regen und Sturm noch das erträglichste. Da es uns ja mehrmals täglich ins Feld zog, lag es nahe, dass uns früher oder später dort auch mal ein richtig heftiger Graupelschauer überraschte. Wir schauten bei strömendem Regen, klitschnass bis auf die Haut , mit anderen Hundebesitzern zusammen, Hunde beim Spiel zu, die vor Schmutz trieften und deren Originalhaarfarbe nicht mehr zu erkennen war, und wir stapften stundenlang durch den tiefsten Schnee,
Emis erster Schnee |
während der Hund vor Begeisterung über das Glitzerweiß gar nicht mehr nach Hause wollte. Das alles immer mit einem tiefen Glücksgefühl über die Fellnase an unserer Seite. Dabei ging der WBE früher noch nicht mal bei leichtem Nieselregen vor die Tür. Emi machte das möglich. Natürlich auch die Gummistiefel, ohne die gar nichts mehr ging. Zeitweise waren sie unser höchstes Gut. Aus Stubenhocker wurden Wandervögel, glückliche Wandervögel.
Inzwischen lebt Emi schon fast 2 Jahre bei uns, und das ist gut so. Sie ist deutlich gewachsen und hat vieles gelernt. An ein paar Sachen müssen wir noch regelmäßig ein bisschen feilen, aber das ist ja auch in Ordnung so. Es heißt ja auch nicht umsonst, wer rastet der rostet. Auf den ersten Blick sieht man in Emi eine junge, draufgängerische Hundedame, die selbstbewusst und fröhlich wirkt. Das mag sie auch sein, aber in all der Zeit bei uns konnte sie nicht alle Ängste ablegen, die sie in ihrem jungen Hundeleben aus Polen mitgebracht hat. Sie ist immer noch ein Hund ohne Geschichte, auch wenn ihre Geschichte womöglich nur 7 Monate lang ist. Wir wissen nicht, was sie erlebt hat und wodurch ihre Ängste begründet sind. Aber wir stehen gerne an ihrer Seite und versuchen ihr den Schutz zu vermitteln, den sie braucht.
Emi April 2014 (nein, ich habe nichts essbares in der Hand, nein :))))) |
Emi April 2014 |
Hallo Sylvia,
AntwortenLöschendu hast eine tolle Art zu schreiben - Emi ist mir sofort mit ans Herz gewachsen. Deine Texte bringen die Emotionen toll rüber und ich hatte bei vielen Textstellen ein dickes Grinsen im Gesicht, weil soviel Liebe die ihr für Emi empfindet auf mich als Leser rüberkommt.
Der erste eigene Hund - und dann gleich ein Hund aus dem ausländischen Tierschutz - Hut ab! Aber deine Schilderung zeigt ja, dass es sich lohnt auch den nicht ganz leichten und bequemen Weg zu wählen.
Ich freue mich darauf mehr von dir zu lesen und über deine Hunde zu erfahren.
Liebe Grüße
Sali
Hallo Sylvia,
AntwortenLöschensehr schön hast du Emi´s Geschichte aufgeschrieben und ich fühlte mich irgendwie in die Zeit zurück versetzt als ich meinen ersten Hund zu mir nahm. Ich habe so viele Leute kennengelernt und das witzige an der Sache ist, das ich manchmal gar nicht ihren Namen wusste, sondern nur die Hundenamen. Das waren dann Frau "Unna" oder Herr "Zober". Ich bin gespannt wie es weiter geht und würde gern mehr lesen.
Liebe Grüße vom Emma und Lotte Frauchen
Da kann ich mir nur Sali anschließen, emotional und toll geschrieben und auch ich hätte mich nicht getraut, einen mir fremden Hund zu übernehmen...
AntwortenLöschenLinda kommt zwar auch aus dem Ausland, aber ich konnte sie hier in einem deutschen Tierheim kennenlernen.
LG Andrea und Linda, die sich auch auf mehr freuen
Also wir nehmen Euch jetzt sofort in unsere Blogroll auf. Ihr seid ja ein hochspannendes Rudel!
AntwortenLöschenLG
Clara
Emi ist schon ein süßes Strubbelmädchen und eure Geschichte liest sich spannend. Wir sind gespannt, wie es weiter geht!
AntwortenLöschenLiebe Grüße aus Terrierhausen