Samstag, 20. Juni 2015

Hoffnung versus Hundehaar





 Home is where
the dog hair sticks to everything
BUT THE DOG!!



Geplatzte Seifenblase oder Stein, der einem vom Herzen fällt? Ich weiß noch nicht ganz, unter was ich die Erfahrungen der letzten, turbulenten Wochen ablegen soll. Die Tendenz geht aber deutlich Richtung: Stein, der einem vom Herzen fällt.

Ich hatte ihn ja schon erwähnt, diesen besagten Anruf Ende April, der womöglich eine Veränderung mit sich bringen könnte. Dieser Anruf kam von Manus Verein. Tatsächlich hatte sich eine Familie gemeldet, die deutlich Interesse an Manu bekundete. Da sie wohl aus dem persönlichen Bekanntenkreis einer Vermittlerin kam, war bereits abgecheckt, dass diese Familie wohl alle Voraussetzungen als Endstelle erfüllte. Sie  wurde mir als geradezu perfekt beschrieben, sodass mein Herz zuerst einen entsetzten, dann aber auch einen freudigen Hüpfer machte. Vor meinem inneren Auge sah ich Manu in dieser perfekten Familie, Vater, Mutter, Tochter, in ihrem perfekten Garten mit dem perfekten Ersthund, gemeinsam in Harmonie.



Da war sie also, die perfekte Familie für Manu, auf die wir ja schon so lange warteten, wow, und angeblich wartete diese jetzt genauso ungeduldig auf meinen Anruf. Es galt nur noch einen Termin für einen Besuch auszumachen. In der Zwischenzeit sollte die Vorkontrolle durch den Verein erfolgen und -schwuppdiwupp- wäre Manu innerhalb kürzester Zeit schon umgezogen, da die Familie wohl plante ihn direkt nach ihrem Besuch mitzunehmen.

Schluck!

Dem WBE entgleisten die Gesichtszüge. Aber da hilft auch kein Zögern, und so schnappte ich mir den Hörer. Wahrscheinlich saß die Familie gerade zu Hause und starrte sehnsüchtig auf ihr Telefon. Da möchte man sie ja auch nicht unnötig warten lassen.

Für eine ungeduldig wartetende Familie klingelte das Telefon unerwartet lange, bis sich jemand meldete. Ich stellte mich als Pflegestelle vor und bot an etwas über Manu zu erzählen und/oder Fragen zu beantworten, was dann übergangslos zu folgendem Gespräch führte.

"Haart der Hund?"
(Nun ja, mir wären sicherlich an die 1000 andere Fragen bei der Anschaffung eines Hundes als allererste Frage eingefallen, aber jeder setzt seine Prioritäten ja auch anders).
"Ähm, ja, Manu haart im Moment sogar sehr stark" (Ist ja auch Fellwechselzeit, wobei ich bei Manu das Gefühl habe, dass er diesen Begriff etwas streckt, und auch der Tipp mit Biothin nicht wirklich geholfen hat).

Schweres Seufzen am anderen Ende der Leitung, dazu Geräusche, als müsste jemand mit starken Schmerzen kämpfen (es machte mich etwas ratlos).
"Oh, Hundehaare, das geht gar nicht. Nein, nein, das geht gar nicht. Nein, nein................. Stark?"
"Ja, schon recht stark. Sie sollten mal meine Couch sehen........." (Der ansatzweise Versuch meinerseits die Sache mit Humor zu nehmen und etwas persönlichen Touch ins Gespräch zu bringen. Bildlich gesehen tanzten lustige, kleine Fragezeichen über meinem Kopf. War das wirklich die Familie, die man mir vorher beschrieben hatte?)

"Couch? Auf unsere Couch kommt kein Hund!!" (Der harrsche Ton sorgte nun doch für reichlich Unbehagen auf meiner Seite. Mein Herz rutschte kellerwärts. Das Bild der kleinen Fragezeichen verschwand und dafür tauchte das von Manu auf, wie er sich in voller Länge auf unserer Couch fläzt, sodass kein Familienmitglied mehr auf diese passt oder unter dem Hund begraben wird. Oh je!).

"Na ja, die Haare fliegen ja auch durch den Raum!" (Beschwichtigung von meiner Seite).

Wieder dieser schmerzvolle Seufzer.

Stille.

Auch wenn ich im Kopf diese Vermittlung schon abgehakt hatte, so muss ich doch für den Hund, der bisher noch keine Pluspunkte sammeln konnte, in die Breche springen. Man sollte mir ja auch nicht nachsagen, dass ich nicht mein Bestes gegeben hätte. Vielleicht stand das Gespräch ja auch nur auf dem falschen Fuß und würde noch eine positive Kehrtwende nehmen.

" Er hat ja leider Panik beim Kämmen, aber das ist nicht weiter schlimm, denn sein Fell ist ja sehr pflegeleicht. Nach einem Spaziergang kommt er immer pikobello zu Hause an."

Das Gespräch stockte immer noch. Auf meiner Seite machte sich langsam Widerwillen breit, dennoch versuchte ich ein versöhnliches Zeichen zu setzen und bot eine Bedenkzeit von einem Tag an.
Anderseits fragte ich mich natürlich auch, was es denn zu bedenken gäbe, denn unser ganzes Gespräch hatte sich nur um Hundehaare gedreht, und diese lösten ja eindeutig schwere Schmerzen aus. Nichtdestotrotz muss man sich ja überlegen, ob man nicht doch gewillt ist diese hinzunehmen, wenn man doch angeblich so begeistert vom Hund ist. Ausnahme wäre natürlich eine Allergie, aber davon war ja nie die Rede gewesen.

Tatsächlich meldete sich die Familie am nächsten Tag erneut, wir führten ein wesentlich entspannteres Gespräch, das ich auch als versöhnlich empfand,  und machten dann ein Treffen für das kommende Wochenende aus. Ich tüfftelte einen idealen Treffpunkt aus, schrieb ein paar Mails, damit das Treffen auch reibungslos ablaufen konnte. Von den Interessenten hörte ich nichts mehr. Absolute Stille über die ganze Woche, bis dann am Tag vor dem geplanten Treffen die Absage kam. Über den Verein. Nicht persönlich. Da hatte ich aber schon viele Tage voller Sorge und Trennungsschmerz hinter mir.
(Es geht mir hier auch gar nicht darum Interessenten vorzuführen, denn dafür sind sie mir viel zu wertvoll, aber es ist schon ein Nervenkrieg, wenn man nicht auf gleicher Wellenlänge ist, man Bedenken hat und trotzdem damit rechnen muss, dass man den Hund in diese Hände abgeben muss).

Nun also Erleichterung und erneut Hoffnung, denn prompt kamen die nächsten Anfragen.
Anfragen von Menschen, die sich wirklich für den Hund interessierten, die Begeisterung signalisierten und Fragen stellten, die mir deutlich machten, dass sich da jemand wirklich Gedanken macht. Sympatische Anfragen, bei denen ich mir vorstellen konnte, dass Manu hier ein gutes Zuhause finden könnte. Doch endeten sie alle mit Absagen, bevor es überhaupt zu einem Treffen kommen konnte. Frust.

Über ein Jahr lang war fast gar nichts passiert. Wir lebten mit Manu zusammen, als würde er zu uns gehören. Auch wenn man ihn immer bewusst als Pflegehund betitelt, so schleicht sich doch eine Selbstverständlichkeit ein, die ja vorerst nicht unterbrochen wurde. Nun wird Manu plötzlich vom Verein vermehrt (so kommt es mir im Moment einfach vor) bei Facebook eingestellt, was ja auch in Ordnung ist. Auf Schritt und Tritt begegne ich unerwartet meinen eigenen Bildern im Internet und lese Kommentare über ihn von Leuten, die ihn ja gar nicht kennen. Das ist schon ein  komisches Gefühl.

Ja, ich tue mich etwas schwer mit meiner Rolle als Pflegestelle im Moment. Die plötzlichen Anfragen und Absagen sorgen für extreme Unruhe bei mir, und es sind natürlich gerade die Absagen, die dafür sorgen, dass ich mich als Pflegestelle hinterfrage. Ich falle sozusagen in ein tiefes Pflegestellenzweifelloch.

Habe ich zu wenig mit Manu gearbeitet?
Warum werden andere Hunde mit ähnlichem Aussehen so viel schneller vermittelt, und er entwickelt sich immer mehr zum Ladenhüter?
Liegt es an mir, dass er noch kein festes Zuhause hat?

Meine Anspannung überträgt sich auf den Hund, und nachdem er lange Zeit wie ein Schäfchen an der Leine lief, geht plötzlich das Gezerre wieder los. Wenn ich ihn so präsentiere, dann denkt doch jeder, ich habe ein Jahr lang nur Däumchen gedreht. Prompt spüre ich den Druck, und Manu meine Anspannung. Wir sind in einem Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. Ich meine immer, ich stehe dabei unter Zeitdruck. Vielleicht kommt ja schon bald wieder ein Anruf.

Wir (oder eher ich) müssen also wieder geerdet werden, und so geht es nächste Woche mal zu einem Hundetraining. Das wollte ich schon lange machen, aber immer wenn ich mich dazu entschlossen hatte, kam etwas dazwischen. Nun steht endlich ein Termin fest.
Hier wollen wir an Manus Radfahrerproblem arbeiten, denn daran ist eine Vermittlung, die mir so sehr gefallen hätte, gescheitert.  Auch mir würden die Spaziergänge wesentlich mehr Spaß machen, wenn ich in der radelfreudigen Jahreszeit nicht immer konstant den Kopf nach hinten drehen müsste, weil ich ewig auf der Hut vor Radfahrer sein muss.

Nun hoffe ich also, dass die empfohlene Hundetrainerin und ich auf einer Wellenlänge sind, damit wir gemeinsam dem blöden Teufelskreis an den Kragen können.







6 Kommentare:

  1. Liebe Sylvia,
    ich bewundere dich wirklich sehr das du Manu als Pflegehund aufgenommen hast. Es ist gut und richtig das Hunde in Pflegestellen ein "vorüber gehendes" Zuhause finden, um dann ein neues schönes Zuhause zu finden. Aber ich könnte das nicht. Der Trennungsschmerz wäre zu groß. Eigentlich kannst du froh sein das Manu nicht zu der ersten Familie gekommen ist. Nun bin ich etwas zerrissen. Ich weiss nicht ob ich die Daumen drücken soll das Manu bald ein neues Zuhause findet, oder ob er nicht lieber bei euch bleiben soll. Es müsste eben alles "passen". Auf jeden Fall wünsche ich euch viel Erfolg bei der Hundetrainerin.
    Liebe Grüße vom Emma und Lotte Frauchen

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  2. Liebe Sylvia,

    ich musste mit Erschrecken und Entsetzen deinen Bericht lesen. Ein Hund haart nun mal und bringt Dreck mit sich. Es gibt nur wenige Hunde, die nicht oder wenig haaren, aber auch nur, wenn man sie richtig pflegt. Frauchen hat sich ja auch deshalb für mich entschieden, weil ein Fox eben kaum haart, sofern er getrimmt wird. Dass aber die allermeisten kurzhaarigen Hunde viel Fell verlieren, ist eigentlich bekannt. Dass daran nun eine Vermittlung scheitert, finde ich sehr traurig. Wenn ich insgesamt von einem Hund begeistert bin, kann ich mit ein paar Fellknäueln doch durchaus leben. Daher bin ich erst mal froh, dass Manu nicht in die erste Familie kam und die anderen Interessenten? Wenn sie sich nicht mal Zeit nehmen, Manu kennen zu lernen, dann waren es auch nicht die richtigen.

    Mir geht es ähnlich, wie Emmas und Lottes Frauchen. Ich weiß nicht, ob ich hoffen soll, dass Manu eine Endstelle findet oder doch lieber bei euch bleibt.

    Wuff-Wuff dein Chris

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  3. Hallo Sylvia,
    ich kann dein Wechselbad der Gefühle was Manu angeht sehr gut verstehen !
    Ich wünsche dir für das kommende Training, dass ihr das Radfahrerproblem bald in den Griff bekommt und für ihn bald die passenden Menschen gefunden werden und du, wenn auch schweren Herzens deinen Pflegi, mit gutem Gewissen, loslassen kannst !

    Liebe Grüße
    Claudia mit Raja

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  4. Hallo Sylvia, ich kann es kaum fassen ! Ziemlich traurig darüber, was es für Menschen gibt und was sie anscheinend für Vorstellungen haben ! Dein Gefühlschaos kann ich absolut nach vollziehen . Kopf hoch, die richtige Familie wird sich sicher melden und das Fahrradproblem bekommt ihr auch noch in den Griff. * Daumen drück * Liebe Grüße Christin mit Maxima und Kessie

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  5. Liebe Sylvia,

    ich muss zugeben, ich habe Deinen Beitrag auch mit einem lachenden und einem weinenden Auge angefangen ... ich hatte schon gedacht, jetzt geht Manu doch! Ich wünsche euch auf der einen Seite natürlich, dass ihr die perfekte Familie für ihn findet - auf der anderen Seite ist er bei euch so integriert und Du machst so viel mit ihm.
    Ich wünsche euch, dass ihr findet, was ihr sucht!

    Liebe Grüße,
    Isabella mit Damon und Cara

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  6. ER kann gar nicht genug haaren, damit er bei Euch bleiben darf...

    wauzt die Linda

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