Samstag, 24. Mai 2014

Wie ein geölter Blitz

Es geht doch nichts über einen entspannten, ruhigen Hundespaziergang am Abend nach getaner Arbeit, hach. So war es gestern Abend geplant, aber es kommt ja immer anders als man denkt.

Sucht man einen Ort für einen entspannten Hundespaziergang, dann eignet sich bei uns dafür am Besten die nahegelegene Hundewiese. Man erreicht sie zu Fuß in weniger als 5 Minuten. Zeitweise ist dort sehr viel los, denn sie zieht natürlich alle Hundebesitzer aus dem Umkreis magisch an. Es ist ein idealer Treffpunkt, wenn man Hundekontakt sucht, oder wenn man eine größere Fläche für Training oder Spiel benötigt. Gegen Abend, meist nach 20 Uhr, wird es dort aber richtig ruhig. Es sind nur noch wenige Leute unterwegs, und oft ist man sogar ganz alleine. Genießerzeit.


In letzter Zeit konnte man die Hundewiese jedoch nur bedingt nutzen. Gab es vor ein paar Wochen noch eine hübsche Grünfläche mit Löwenzahn und anderen Blümchen, so reichten die Pflanzen mittlerweile so hoch, dass man seinen nach Abenteuer suchenden Hund nur noch erahnen konnte. Emi ist so ein Abenteurer, die mit Begeisterung durchs hohe Gras hüpft, am liebsten mit dem Lieblingsmenschen an ihrer Seite. Die meisten Hunde/Mensch-Gespanne umkreisen jedoch lieber die Wiese.

Das hat sich nun auch wieder geändert, denn  irgendwann am Montag hat das Hundelabyrinth seinen Herrn und Meister gefunden und liegt nun abgemäht auf der platten Fläche. Mensch findet es wunderbar. Es riecht lecker nach Heu, und man hat endlich wieder einen freien Blick über das ganze Areal. Hund, sprich Emi, schluckt erst mal seine Enttäuschung runter und erfreut sich dann an der riesigen Fläche, die nun wieder zum Toben und Tollen mit Freunden einlädt. Außerdem kann man sich vor lauter Glück nun im warmen Heu wälzen. Nee, was ist das schön.

So auch gestern Abend. Außer uns waren nur noch Barney und sein Herrchen unterwegs. Das ist gut so, denn der lustige Bobtail ist genau Emis Kragenweite. Man rannte und jagte sich gegenseitig, schnupperte an allen Ecken.  Ein idealer Hundeabend soweit.

Es lief also alles gut, bis Ernie mit seinem Frauchen quer über die Wiese gelaufen kam. Für uns keine Unbekannten, aber trotzdem sind wir Hundehalter nun aufgefordert uns zu überlegen, wie wir Ernie richtig empfangen. Ernie ist ein Dreibein (ihm fehlt ein Vorderlauf), und natürlich macht man sich Gedanken wieviel temperamentvollen Hund kann man ihm zumuten, vorallem, weil unseren jungen Wilden ja im Spielmodus waren. So bemühten wir uns um eine entschärfte und sanfte Kontaktaufnahme, um den armen Hund zu schonen, was die Besitzerin mit einem kurzen, süffisanten Auflachen beantwortete. Warum ich da noch nicht gestutzt habe?

Immerhin war der gehandicapte Türke soweit von unseren Hunden angetan, dass er seinen Heimweg ad acta legte und mit unseren Hunden weiter trottete. Emi war sichtlich angetan von dem großen, braunen Rüden. Sie umtanzte ihn mit blitzenden Äugchen und forderte ihn wiederholt zum Spiel auf. Ernie gähnte gelangweilt und trottete seines Weges, immer ein Stück hinter uns. Wir passten unser Tempo seinem an, weil "der arme Hund kann ja nicht so schnell"  und verfielen in Geplauder. Wo Geplauder ist, da lässt die Aufmerksamkeit nach.

Ein Fehler, ein böser, böser Fehler.

Barney und Emi hatten sich inzwischen ein Stück nach vorne abgesetzt, um am Wegesrand die aktuellen Hundenachrichten zu lesen. Ernie dagegen war langsam und humpelnd hinter uns unterwegs. Bei meinem letzten Kontrollblick wälzte er sich gerade im Heu. Im nächsten Moment passierte es dann auch schon. Aus dem Augenwinkel sah ich plötzlich nur noch einen Blitz an uns vorbeischießen. Im Sog dieses Blitzes rasten unsere beiden Hunde auch sofort los. Au Backe, Karnickelalarm, und, man traut seinen Augen nicht, das Dreibein in einem Affenzahn allen anderen weit voraus. Unglaublich, denn Emi und Barney gehören zur Geschwindigkeitselite der Hundewiese. Das muss jetzt hier mal gesagt werden.

An dieser Stelle grenzt die Wiese an ein kleines Wäldchen, das zu einem Neubaugebiet gehört. Daneben, nur durch kleine Bäumchen und Sträucher getarnt, befindet sich eine sehr stark befahrene Straße. Diese hat man natürlich sofort im Kopf, wenn Hunde in diese Richtung lospreschen. Zu unserer Erleichterung hörten Barney und Emi auf unseren Ruf und drehten ab. Von Ernie jedoch sah man nur noch eine Staubwolke. Da half alles rufen nichts.

So standen Frauchen und ich dann wenige Minuten später in dem kleinen Wäldchen, das wohl eher ein zu groß geratenes Gebüsch ist,  und ließen die trockenen Ästchchen, auf Teufel komm raus knacken. Die Männer warteten mit den angeleinten Hunden auf der Wiese. Ein taktisch gutes Manöver. Ernies Frauchen war mit ihren FlipFlops definitiv nicht ideal bekleidet und kam nicht so gut voran wie ich. So schaffte ich, während sie durchs Geäst humpelte, noch den Blick über die Straße und das Neubaugebiet. Jede Bewegung wurde direkt mit Enttäuschung kommentiert. Man sah Amseln, man sah Bauarbeiter, man hörte Mäusegewusel, aber man konnte keinen Ernie sehen. Der war futsch, aber so was von. Der arme gehandicapte Hund, der ja nicht so gut kann, wie die anderen. Ha, vorallem hören!

Der entscheidende Ruf kam dann von den Männern. Während wir wie die Deppen durch den Wald kletterten, hatte Ernie sich nämlich dafür entschieden, dass das Abenteuer zu Ende sei. War mal eben einfach zu den Männern getrottet, hatte sich brav anleinen lassen und harrte nun der Dinge, die da kommen sollten. Mit viel Glück vielleicht ein neues Karnickel, denn es knackte ja so lustig im Wäldchen. Letztendlich waren es aber zwei abgekämpfte Frauen, die sich den Weg zurück auf die Wiese bahnten. Eine davon deutlich angesäuert.

Und während wir mit unseren Hunden den Heimweg antraten, erzählte uns dann Frauchen, die den etwas bockigen Ernie an der Leine führte, all die Geschichten, wo er schon überall ausgebüxt war und welche Suchaktionen schon für ihn gestartet wurden.

Soweit zum Thema "Armes Dreibein, kann ja nicht so gut, wie die anderen Hunde"

Blick über die Wiese Ende April

1/3 der Fläche ist Hundeauslauffläche


Das Wäldchen wo die bösen Karnickel wohnen



6 Kommentare:

  1. Ich hatte mal eine arme dreibeinige Katze , die war schneller auf Bäumen als ihr Vierbeiniger Kumpel liebe Grüsse Diva

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  2. So kann man sich täuschen. Unterschätze nie einen Hund - ich glaube, das haben wir jetzt auch aus eurer Geschichte gelernt. Wir sind nur ehrlich froh, dass dem Ernie nichts passiert ist.

    Wuff-Wuff Chris

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  3. Hahaha Sylvia, ich lieg am Boden vor Lachen...

    Die dreibeinige Geschwindigkeitselite der Hundewiese kann ja nicht so gut wie die anderen. Vor allem hören...

    hahaha, aber das sagte ich ja schon.

    LG und einen erlebnisreichen Sonntag wünschen Euch

    Andrea und Linda

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  4. Oh je, ein Glück das dem Ernie nicht´s passiert ist. Wenn der auf die Straße gelaufen wäre ....
    Ich wäre fix und fertig gewesen. Aber wenn Ernie das schon öfters gemacht hat wäre vielleicht eine Schleppleine recht hilfreich.
    Ansonsten sieht "eure" Hundewiese sehr schön aus. Ich kann mir gut vorstellen das dort viele Hunde schön spielen und flitzen können.
    Liebe Grüße vom Emma und Lotte Frauchen

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  5. Liebe Sylvia,

    da hätte ich doch fast ganz vergessen, Deinen tollen Post zu kommentieren. Dabei kannst du so herrlich schreiben. Das Thema finde ich nicht so witzig, weil mir immer die Geschichte von Bianca vor Augen habe, die leider nicht so viel Glück hatte. Zwar hatte sie alle 4 Beine, doch würde sie den Haltern in einem blauen Müllsack übergeben. Überfahren. Wenn Du dies nachlesen willst, dann schau mal hier…http://www.hundekatzenvital.de/Wir/Biancaoderwiewirzuwei%C3%9FenHundenkamen/tabid/445/Default.aspx
    Aber Du hast natürlich recht, Hunde scheinen mit Beeinträchtigungen besser zurecht zu kommen und ihre Triebe scheinen unmögliches möglich werden lassen. Die Hundehalterin kann ich nicht ganz verstehen, aber das muss ich ja auch nicht…

    Deine Fähigkeit zu schreiben finde ich wirklich sehr schön.

    Viele liebe Grüße
    Sabine mit Socke

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    1. Liebe Sabine,

      ich gebe dir absolut recht. Lustig wurde diese Geschichte für uns erst, als Ernie gesund und munter an der Leine war (das war eine unbeschreibliche Erleichterung). Dann konnten wir vorallem über uns lachen, wie sehr wir uns geirrt hatten. Bis es soweit war hatte wahrscheinlich nicht nur meine Fantasie die schlimmsten Szenarien ( Unfall, Suche bleibt ergebnislos....) durchgespielt. Ich hoffe nur, dass sich bei dem Frauchen inzwischen der Schreck auch in allen Gliedern festgesetzt hat. Ich könnte den Hund nicht mehr unbefangen ohne Leine laufen lassen, so wie ich Manu auch immer gut sichere, weil eben meine Fantasie so ausgeprägt ist (der WBE lacht mich immer deswegen aus), aber lieber so, als wenn man sich irgendwann Vorwürfe machen muss.
      Ich danke dir für deinen Kommentar.

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